Purpose Driven Organizations – Was macht Apple und DM so erfolgreich?

Viele Gründer:innen haben sich vor der Selbständigkeit in einem Arbeitssystem befunden, welches sie ausgelaugt hat und in welchem sie sich nicht entfalten konnten. Sie sind vom Management enttäuscht: zu viel Bürokratie, gedrosselte Entscheidungswege, lange Meetings ohne Ergebnis, Macht-Spiele und Silo-Denken. Diese Art zu arbeiten führt bei vielen Menschen zu Frust und Resignation. Als Gründer:in entsteht dann der Wunsch, es besser zu machen. Also “richtig”. Aber was genau braucht es, um ein gesundes Miteinander zu fördern und nicht selbst in das gleiche Missmanagement zu verfallen, dem man abgeschworen hat?

Eine Möglichkeit Organisationen neu zu denken ist das Konzept der Purpose Driven Organizations. Der Begriff ist mittlerweile in aller Munde und doch ist nicht immer klar, was damit eigentlich gemeint ist. Purpose Driven Organizations sind “Organisationen, deren Herz und Motor ein higher Purpose – ein höherer Sinn ist.” (Fink & Moeller, 2018). Dieser Sinn dient nicht nur dem eigenen Nutzen, sondern auch der Organisation, den Stakeholdern und der Gesellschaft. Der Sinn der Organisation entfacht Energie und Motivation und gibt die Richtung vor, in die sich das Unternehmen bewegt. Apple und DM setzen das schon seit Jahren erfolgreich um.

Warum braucht es Purpose Driven Organizations?

Aktuell befindet sich die Welt in einer Umbruchphase. Der sogenannte VUCA-Begriff fasst die vier großen Merkmale dieses Umbruches zusammen: Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität (Mehrdeutigkeit). Mit steigender Komplexität wird es immer schwerer die Zukunft zu prognostizieren und Management-Methoden nach dem klassischen Wasserfallmodell kommen an ihre Grenzen.

Hinzu kommen sich verändernde Ansprüche der nächsten Generation an ihre Arbeitgeber:innen und die Art des Arbeitens. Unternehmenswerte wie soziales Handeln, Nachhaltigkeit und Diversität des:r potenziellen Arbeitgeber:in rücken dabei in den Fokus. Außerdem wünschen sie sich, eine Flexibilisierung der Arbeitszeit, sodass die höchstmögliche Vereinbarkeit von beruflichen und privaten Zielen erreicht wird (Springer Professional Studie, 2020).

Was bedeutet Purpose?

Purpose (engl. Bestimmung, Zweck) steht für einen höheren Sinn hinter der Arbeit, die man tut. Der Purpose einer Organisation ist einerseits Energiegeber und Motivationstreiber. Er führt dazu, dass Menschen morgens mit Freude an ihre Aufgaben gehen, weil sie genau wissen, wozu sie es tun. Andererseits bietet er Orientierung, wie der Polarstern, der immer die Richtung vorgibt. So können alle Entscheidungen im Alltag auf ihren Beitrag zum Purpose bewertet werden.

Was bewirkt Purpose am Arbeitsplatz?

Sinn führt damit dazu, dass die Komplexität reduziert wird (Luhmann, 1984) und in Folge dessen, wird die Leistung und vor allem Elemente wie Leidenschaft und Begeisterung steigen (Hansen, 2018). Dabei wird Leistung nicht an der Anzahl von Arbeitsstunden pro Woche berechnet, sondern an mehr Anstrengung in den einzelnen Stunden. Eine Studie von Ferry (2016) zeigt, dass Purpose Driven Organizations viermal so schnell wachsen wie klassisch geführte Organisationen. Hinzu kommt, dass sich mehr als 90 Prozent der Mitarbeitenden in den Purpose Driven Organizations als engagiert bezeichnen, wohingegen diese Zahl in klassischen Unternehmen lediglich bei 32 Prozent liegt. Außerdem bestätigt die Studie, dass Entscheidungsprozesse in den Purpose Driven Organizations effektiver gestaltet werden.

Was macht eine Purpose Driven Organization aus?

Fink und Moeller (2018) beschreiben fünf Disziplinen, die kennzeichnend für Purpose Driven Organizations sind:

  1. Purpose wird zur dominanten Entscheidungsprämisse erklärt.

Das bedeutet, dass der Sinn der Organisation permanent im Fokus steht: bei operativen und strategischen Entscheidungen, bei Meetings und eigentlich bei jeder einzelnen Entscheidung innerhalb der Organisation. Alles wird immer wieder mit dem Blick auf eine bestmögliche Übereinstimmung und Passung überprüft und weiterentwickelt. Dabei gibt der Purpose Orientierung also einen “Sense of Direction” und lässt den Weg zum Ziel offen. 

  1. Rollen und Kommunikationswege werden im Zuge einer kodifizierten Selbstorganisation ausdifferenziert.

Hinter diesem Prinzip steht die Annahme, dass das Streben nach einer perfekt geölten Organisationsmaschine in volatilen und komplexen Zeiten ineffektiv und sogar gefährlich sein kann. Fixe Abläufe und enge Strukturen machen es unmöglich, flexibel und anpassungsfähig zu reagieren. Dafür sind Freiraum und Selbstorganisation viel effektivere Prinzipien. Das bedeutet nicht, dass es keine Strukturen gibt, ganz im Gegenteil: es gibt klare Abläufe und festgelegte Spielregeln. Diese lassen allerdings jedem einzelnen Freiräume und Autonomie, so dass Mitarbeitende befähigt sind, selbstständig Entscheidungen zu treffen und die Organisation beständig weiterzuentwickeln.

  1. Personen werden im Sinn einer ganzheitlichen Partnerschaft nicht mehr nur als Mittel, sondern auch als Zwecke betrachtet.

Die Beziehung zwischen Mensch und Organisation wird in Purpose Driven Organizations neu definiert. Im Fokus dabei steht die Mitarbeitendenzentrierung. Menschen arbeiten, um zu leben, statt dass sie leben, um zu arbeiten. Diese Erkenntnis stellt die Selbstentfaltung und das Ausdrücken der eigenen Persönlichkeit in den Fokus. Dieses Grundprinzip stellt hohe Anforderungen an die Mitarbeitenden bezüglich ihrem Selbstmanagement, persönlicher Weiterentwicklung und ihrer Selbsterkenntnis. Sich selbst zu managen wird zu einer Kernkompetenz, die gefordert und gefördert wird.

  1. Kulturell werden Werte, Normen und Glaubenssätze favorisiert, die Superflexibilität und eine Vertrauenskultur fördern.

Die Kernelemente, die Purpose Driven Organizations ausmachen, sind über viele Unternehmen hinweg sehr ähnlich. Natürlich kann einer Unternehmenskultur nicht vorgegeben werden. Viel mehr kann sie regelmäßig beobachtet und reflektiert werden. Allerdings zeigen sich Gemeinsamkeiten, die zusammengefasst auf einer Superflexibilität und Vertrauen basieren. Das bedeutet: Vertrauen anstelle von Macht, Augenhöhe und Achtsamkeit, Kooperation statt Wettbewerb, Lernen und Agilität vor Effizienz und Perfektionismus.

  1. Die Organisation koppelt sich eng mit anderen Organisationen, wodurch eine Art Entwicklungsgemeinschaft entsteht. Dadurch entsteht eine Co-Evolution im Ökosystem.

Unternehmen entwickeln sich in Co-Existenz mit ihrer Umwelt. Für Purpose Driven Organizations hat die beständige Kopplung mit ihrem Umfeld eine große Bedeutung. Sie wollen mit ihrem Purpose einen positiven Beitrag für ihre Umwelt schaffen und schaffen sich deshalb ein Umfeld, dass den Purpose unterstützt. Deswegen setzen Purpose Driven Organizations auf eine hochgradige Vernetzung und Zusammenarbeit mit Partner:innen, wobei sie sich miteinander verbunden fühlen und gemeinsam wachsen.

Ist eine Purpose Driven Organization für jeden was?

Es gibt Unternehmen, die sich trotz der VUCA-Welt in einem recht ruhigen Markt befinden, wenn beispielsweise Kund:innen relativ einheitliche und längerfristig stabile Anforderungen stellen und sich Leistungen daher als Standardprodukte herstellen lassen. Solche Unternehmen können gut im klassischen Stil gemanaged werden. Je komplexer und je diverser allerdings die Anforderungen der Kundschaft an das Unternehmen sind, desto flexibler muss die Organisation sein. In diesem Bereich kommt das klassische Management schnell an seine Grenzen. Denn um den sich verändernden Ansprüchen gerecht zu werden, bedarf es der gesamten Kreativität und Innovationsstärke einer Organisation.

Für interessierte Leser:innen empfehlen wir:
Fink, F. & Moeller, M. (2018). Purpose Driven Organizations: Sinn – Selbstorganisation – Agilität. Schäffer-Poeschel: Stuttgart.